Betty Edwards Zeichenmethode
„Jeder normale Mensch, der einigermaßen gute Augen hat und bei dem Augen und Hände gut koordiniert sind – der zum Beispiel imstande ist, einen Ball aufzufangen –, kann zeichnen lernen.“ (Betty Edwards)
Der Teil des Workshops über visuelle Wahrnehmung basiert auf der Methode Betty Edwards (geb. 1926), publiziert im Buch Garantiert Zeichnen Lernen (Drawing of the Right Side of the Brain, Los Angeles 1979). Ich nutze ihre Methode nicht nur um Zeichnen zu lehren, sondern auch um Kunstwerke durch Zeichnen erfahren zu lassen.
Betty Edwards hat Psychologie und Zeichnen zusammengeführt. Sie geht davon aus, dass das menschliche Gehirn aus zwei gleich aussehenden Hälften besteht. Die linke Körperhälfte ist mit der rechten Hemisphäre, die rechte Körperhälfte mit der linken Hemisphäre verbunden. Obwohl jede unserer Hemisphären dieselben Sinneswahrnehmungen speichert, so verarbeitet doch jede Hälfte die Informationen auf verschiedene Weise.
Der Psychobiologe Roger W. Sperry hat 1981 den Nobel Preis bekommen, weil er bewiesen hat, dass für das verbale, analytische und symbolische Denken die linke Hemisphäre verantwortlich ist, während für das kreative, synthetische und bildliche Denken die rechte Hemisphäre verantwortlich ist. Wir werden in unserem Workshop den Denkmodus der linken Hemisphäre „symbolisch“ und den Denkmodus der rechten Hemisphäre „bildlich“ nennen.
Die Sprache ist in der linken Hemisphäre angesiedelt und da die Sprache eine so wichtige menschliche Fähigkeit ist, wird die linke Hemisphäre in unserer Gesellschaft als die dominante angesehen. Der bildliche Denkmodus der rechten Hemisphäre wird eher ignoriert und missachtet.
Albrecht Dürer, Zeichner des liegendes Weibes, 1525, Metropolitan Museum of Art, New York
Die Fähigkeit, realistisch zu zeichnen, hängt davon ab, ob wir auf der Bewusstseinsebene den symbolischen Denkmodus an- und abzuschalten lernen, um den Zugang zum „untergeordneten“ bildlichen Denkmodus zu haben. Während des Workshops werden wir verschiedene Übungen dazu machen. Realistisch Zeichnen-können heißt, dass wir auf Papier übertragen, was wir sehen und nicht, was wir zu sehen glauben.